[HINWEIS: Dieser Beitrag bezieht sich auf die Änderungen am Cannabisgesetz im parlamentarischen Verfahren zwischen Vorlage des Kabinettsentwurfs im August 2023 bis zum Abschluss der Beratungen in den Ausschüssen Ende November 2023. Diese Punkte haben dann Eingang in das finale CanG gefunden, wie es am 1. April 2024 in Kraft getreten ist. Die problematischen Änderungen für CSCs, die mit dem Änderungsgesetzentwurf vom 16. April 2024 vorgeschlagen worden sind, beleuchten wir hier.]
Nun ist endlich offiziell, welche Änderungen am CanG-Entwurf noch vorgenommen werden sollen, bevor das Gesetz in der letzten Sitzungswoche des Jahres – zwischen 11. und 15. Dezember – vom Bundestag verabschiedet wird. [UPDATE: Ein Satz mit X… – aufgrund überraschender Uneinigkeit in der SPD-Fraktion wurde die Verabschiedung des CanG bis auf Weiteres aufgeschoben.] Die am 27.11. veröffentlichten Formulierungsvorschläge zum CanG aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) sind zwar noch nicht 100% final, denn die letzte koalitionsinterne Beratung steht noch aus. Nachdem die drogenpolitischen Sprecher*innen der Ampelfraktionen aber am selben Tag stolz verkündet haben, dass man sich geeinigt hat und der Weg frei ist, wird das BMG-Dokument wohl keine nennenswerten Anpassungen mehr erfahren. Wir haben für euch analysiert, was Relevantes drinsteht.
Das gestufte Inkrafttreten des CanG ist eine böse Überraschung und herbe Enttäuschung: Anbauvereinigungen dürfen damit erst ab Juli 2024 Erlaubnisanträge stellen und wohl erst ab Herbst mit dem Anbau starten.
Inhaltsverzeichnis
Vorab muss man sagen: Obwohl das Dokument 77 Seiten umfasst, sind die Änderungen gegenüber dem Kabinettsentwurf des Cannabisgesetzes erstaunlich überschaubar. In den Formulierungsvorschlägen findet sich viel Redaktionelles und wenig Substanzielles. Und damit leider auch kaum etwas, was sich an den geplanten Regelungen verbessert hat, jedenfalls aus Sicht der CSCs bzw. der angehenden Anbauvereinigungen. Gleichzeitig gibt es sogar einige überraschende Verschärfungen – und eben sehr viele kritische Punkte, an denen sich einfach gar nichts ändert.
Insgesamt ist das eine ziemliche Enttäuschung – hatten doch die Parlamentarier die letzte Verschiebung auch damit begründet, dass man die Zeit brauche, um ein wirklich gutes Gesetz zu erarbeiten. „Inhalte sind da wichtiger als ein zu ambitionierter Zeitplan“, hatte beispielsweise Kristine Lütke (FDP) gegenüber LTO geäußert. Nun muss man konstatieren, dass sich offenbar das BMG mit seiner strikten Haltung weitgehend durchgesetzt hat, immer wieder auch mit dem mantraartigen Verweis auf die engen Grenzen des EU- und Völkerrechts.
Der Konsum von Cannabis wird nicht mehr in 200 Metern Umkreis um Schulen, Kinderspielplätze usw. untersagt, sondern nur noch „in deren Sichtweite“. Als obere Begrenzung gilt hierbei eine Entfernung von 100 Metern, d.h. wenn man diesen Abstand zu den betreffenden Einrichtungen einhält, ist der Konsum auf jeden Fall erlaubt. Das ist immerhin eine einigermaßen praktikable Regelung. Einrichtungen, die man nicht sehen kann, muss man als Konsument*in nun nicht mehr „erahnen“. In Bezug auf öffentlich zugängliche Sportstätten gibt es allerdings eine leichte Verschlechterung: Zunächst sollte der Konsum nur in denselben verboten werden, nun auch in deren Sichtweite.
Es wird klargestellt, dass sich die Gramm-Zahlen auf getrocknetes Cannabis beziehen, also insbesondere nicht auf die frisch geernteten Blüten beim Eigenanbau.
Am Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt darf man nun die doppelte Menge Cannabis besitzen, im öffentlichen Raum bleibt es bei 25 Gramm. Damit will man der lauten Kritik daran begegnen, dass beim privaten Eigenanbau mit drei Pflanzen schnell deutlich größere Erntemengen anfallen. Das gilt zwar genauso für eine Obergrenze von 50 Gramm, aber eine gänzliche Streichung der Mengenbegrenzung für zuhause ließ sich offenbar nicht durchsetzen.
Wer die erlaubten Mengen um bis zu 20% überschreitet, begeht nun lediglich eine Ordnungswidrigkeit, erst darüber (d.h. bei mehr als 30 bzw. 60 Gramm) ist man im strafbaren Bereich. Auch der Bußgeldrahmen wurde reduziert, dennoch drohen beim Besitz von wenigen Gramm zu viel noch immer bis zu 30.000 EUR Bußgeld (vorher irrwitzige 100.000 EUR).
Um der Dauer-Diskussion um die notwendige Anpassung des THC-Grenzwerts – und dem bisherigen Nichtstun des Verkehrsministeriums – zu begegnen, hat man nun im Gesetz verankert, dass eine vom BMDV eingesetzte Arbeitsgruppe bis zum 31. März 2024 einen Vorschlag hierfür erarbeiten soll.
Im vorgeschriebenen Satzungszweck wurde „die Information von Mitgliedern über cannabisspezifische Suchtprävention und -beratung“ ergänzt, um die Aufklärung der Mitglieder über Suchtrisiken zu ermöglichen. Aufklärungsmaßnahmen für Nicht-Mitglieder, bspw. durch Informationsveranstaltungen an Schulen, sind jedoch explizit nicht gestattet.
CSCs können den Nachweis über spezifische Fachkenntnisse des von ihnen ernannten Präventionsbeauftragten auch nachträglich erbringen. Somit ist das Fehlen geeigneter Schulungsangebote nicht mehr automatisch ein Hinderungsgrund für die Beantragung einer Erlaubnis. Die Behörde muss dann bei Erlaubniserteilung eine Frist von mindestens drei Monaten einräumen, um den Nachweis vorzulegen. Präzisiert wurde außerdem in § 23, dass die Suchtpräventionsschulung bei Landes- oder Fachstellen für Suchtprävention oder vergleichbar qualifizierten öffentlich geförderten Einrichtungen erworben werden kann. Kommerzielle Schulungsanbieter sind damit außen vor.
Die für die Genehmigung der künftigen Anbauvereinigungen zuständigen Behörden sollen innerhalb von drei Monaten nach Eingang aller erforderlichen Angaben und Nachweise über den Erlaubnisantrag entscheiden. Diese Vorgabe aus dem Referentenentwurf war zwischenzeitlich gestrichen worden und wurde nun doch wieder aufgenommen. In gewisser Weise konterkariert wird dies jedoch durch den nachfolgenden Punkt, das „gestufte Inkrafttreten“ des Gesetzes.
Nachdem bislang vorgesehen war, dass das CanG am Tag nach der Verkündung in Kraft tritt – und hierfür bis vor Kurzem noch Anfang Januar 2024 angestrebt wurde – hat sich das Inkrafttreten nun mal eben auf den 1. April 2024 verschoben. Und selbst dieses Datum gilt nur für die Entkriminalisierung und den privaten Eigenanbau. Für die Anbauvereinigungen und alle damit verbundenen Regelungen hat man das Inkrafttreten nochmals drei Monate später, zum 1. Juli 2024 angesetzt. Das ist eine ziemlich böse Überraschung, denn dass sich die CSCs nun noch länger gedulden müssen, hat bislang keine der einschlägigen Quellen kommuniziert. Es war zwar klar, dass die Länder eine gewisse Zeit brauchen würden, um die zuständigen Behörden und Details des Erlaubnisverfahrens festzulegen. Warum das aber nicht bis zum ohnehin verspäteten Termin 1. April 2024 möglich ist, muss man nicht verstehen.
Effektiv bedeutet dies, dass die CSCs frühestens am 1. Juli 2024 Erlaubnisanträge einreichen können. Bei drei Monaten Bearbeitungszeit der Behörde kann der Anbau (aus Samen!) im Oktober starten. Für die meisten dürfte damit die erste Ernte in 2024 kaum zu schaffen sein – wenn sie denn überhaupt über Anbauflächen verfügen, die im Herbst und Winter bewirtschaftet werden können.
Gleichzeitig dürfen Konsument*innen ab April 2024 legal Cannabis besitzen, das sie aber über Monate nicht legal beziehen können, es sei denn, sie bauen selbst zuhause an. An Absurdität ist das kaum zu überbieten.
Dass nur, wer in Deutschland wohnt, Mitglied in einer Anbauvereinigung werden kann, war von vornherein klar. Nun wurde aber ergänzt, dass der Wohnsitz bzw. gewöhnliche Aufenthalt seit mindestens 6 Monaten bestehen muss. Neu Zugezogene werden damit ausgegrenzt und die Überprüfung für die CSCs bei Aufnahme neuer Mitglieder wird komplizierter. Mit dieser Änderung folgt man einem Anliegen insbes. Frankreichs, um „Cannabis-Tourismus“ z.B. von Austauschstudenten zu vermeiden.
Vorstand und sonstige vertretungsberechtigte Personen müssen nun Mitglieder der Anbauvereinigung sein, somit können hiermit keine Dritten (z.B. Profis mit spezifischen Fachkenntnissen) mehr betraut werden. Damit soll „der nicht-gewinnorientierte Charakter von Anbauvereinigungen betont“ werden.
Die Liste der Vergehen, aufgrund derer dem Vorstand bzw. sonstigen vertretungsberechtigten Personen die Zuverlässigkeit abgesprochen wird – und somit keine Erlaubnis erteilt werden darf –, ist deutlich gewachsen. Insbesondere wurden Vergehen nach dem Anti-Doping-Gesetz und der Abgabenordnung neu aufgenommen.
Der Verschärfung von Verboten bzw. der damit verbundenen Mindeststrafen wird im BMG-Dokument die umfangreichste Begründung gewidmet. Das sagt schon einiges aus, auch wenn man dies für die betreffenden Tatbestände befürwortet. Im Wesentlichen verdoppelt sich die Mindestfreiheitsstrafe für die gewerbsmäßige Abgabe an Minderjährige und für Qualifikationstatbestände der organisierten Kriminalität (z.B. bandenmäßiges Vorgehen oder Gebrauch von Schusswaffen) auf zwei Jahre.
Sofern die Anbauvereinigung geringfügig Beschäftigte mit Anbautätigkeiten betraut, müssen diese nun auch zwingend Mitglied des CSCs sein.
Im Kabinettsentwurf war die Weitergabe von „höchstens insgesamt sieben Samen und Stecklingen“ pro Person und Monat vorgesehen. Diese Zahl wurde auf fünf reduziert. Werden ausschließlich Samen abgegeben, dürfen es weiterhin sieben Stück sein.
Wie wenig substanziell die o.g. Verbesserungen am Cannabisgesetz sind, wird deutlich, wenn man sich noch einmal die wesentlichen Kritikpunkte an den Gesetzentwürfen vor Augen führt, die überhaupt nicht angefasst wurden:
Auch wenn das Konsumverbot auf 100 Meter reduziert worden ist, betrifft dies nicht die Mindestabstände des befriedeten Besitztums von Anbauvereinigungen zu Schulen usw. Für Anbauflächen und Abgabestellen gelten somit weiterhin 200 Meter Abstand. Mindestabstände zwischen einzelnen CSCs gibt es nicht. Entgegen missverständlicher Äußerungen u.a. von Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) waren die aber auch in den bisherigen Gesetzentwürfen kein Thema.
Das Verbot des gemeinschaftlichen Konsums im Club bleibt, auch wenn das überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Gerade gegen diesen Punkt hatten die mit dem Thema vertrauten Parlamentarier versprochen anzukämpfen – offenbar ohne Erfolg.
Die Weitergabe von Cannabis aus dem privaten Eigenanbau an Freunde, um zuhause gemeinsam einen durchzuziehen, wäre nach dem Referentenentwurf noch möglich gewesen, war im Kabinettsentwurf dann aber gestrichen worden. Nun ist das Thema endgültig Geschichte, indem ein explizites Verbot in § 2 ergänzt wurde.
Viele CSCs hätten sich die Möglichkeit gewünscht, Extrakte für einen schonenderen Konsum anbieten zu können. In unserer Umfrage vom Oktober 2023 nannten dies 63% der befragten Clubs. Daraus wird nichts, ebenso wenig werden Edibles erlaubt.
Die lebensfremde und in der Praxis höchst problematische Pflicht der Mitglieder, beim gemeinschaftlichen Anbau im CSC „eigenhändig“ mitzuwirken, bleibt unverändert bestehen.
Mit Verweis auf EU-Recht und den Eigenanbau ausschließlich zum Eigenkonsum bleibt es dabei, dass CSCs weder eigene Mitarbeiter (jenseits von geringfügig Beschäftigten) noch Dritte mit Anbautätigkeiten beauftragen dürfen. Immerhin wird in der Begründung zu § 17 nun klarer benannt, welche Tätigkeiten das sind (wenn auch nicht abschließend), nämlich: „z.B. Wässern, Düngen, Beschneiden, Abschneiden von Blättern und Blüten, Absonderung von Harz etc.“ Für Tätigkeiten jenseits des Anbaus, „z.B. Qualitätsberatung, Schulung von Mitgliedern zu Qualitätssicherung, Dokumentation, Buchhaltung, Reinigung, Sicherheit, Hausmeisterei etc.“ gilt diese Einschränkung nicht.
Auch wenn es längst Möglichkeiten gibt, problematische Waren (u.a. medizinisches Cannabis) jugendschutzkonform zu versenden, bleibt dies den CSCs verwehrt. Auch eine Lieferung mittels Kurier o.ä. wird nicht möglich sein, die Abgabe muss zwingend in einer Abgabestelle erfolgen.
Während die Einfuhr von Cannabis-Samen aus EU-Staaten erlaubt wird, gilt dies weiterhin nicht für Stecklinge. Wer direkt nach Inkrafttreten des Cannabisgesetzes rechtskonform mit dem Eigenanbau starten möchte, muss dies also mit Samen tun – sowohl CSCs als auch Privatleute. Aufgrund des „gestuften Inkrafttretens“ des CanG werden Stecklinge von Anbauvereinigungen wohl frühestens ab Ende 2024 bezogen werden können. Und auch dann dürfen sie – im Unterschied zu Samen – nicht versandt werden, sondern müssen persönlich in der Abgabestelle abgeholt werden.
Auf den aktuellen Zeitplan waren wir vor Kurzem hier schon eingegangen. Aus dem möglichen Inkrafttreten Anfang März ist nun April bzw. Juli 2024 geworden. Erwartet wird aber weiterhin, dass der Bundestag das CanG in der letzten Sitzungswoche vom 11. bis 15 Dezember 2023 verabschiedet. Hoffen wir, dass wenigstens dieser Termin hält und mit Blick auf die Krise der Ampelregierung nichts mehr anbrennen kann. In ihrem Instagram Live vom 27.11.23 wollten sich Carmen Wegge und Dirk Heidenblut hier leider „nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen“, und überhaupt würde ja für das Inkrafttreten im April auch noch eine Verabschiedung im März genügen. Wir wünschen euch und uns allen, dass uns eine weitere Gedulds- und Nervenprobe erspart bleibt.
Übrigens: Alle Änderungen (BMG-Formulierungsvorschläge zum CanG) findest du hier im PDF als Download.
[Update vom 11.12.2023: Wie wir in unserem Update hier näher beleuchten, sind auch über den Jahreswechsel hinaus weiter Geduld und Nerven gefragt. Eine Verabschiedung des CanG ist nun frühestens im Januar 2024 zu erwarten, möglicherweise auch noch später.]
[Update vom 22.01.2024: Die SPD-Fraktion treibt alle Befürworter des Cannabisgesetzes in den Wahnsinn. Alle Hoffnung liegen nun auf der 3. Sitzungswoche des Bundestages im Februar 2024. Mehr dazu erfahrt ihr hier.]
okruse@gmx.net
24. Februar 2024 at 10:09Moin,
bin das erste Mal auf eurer Seite.
Vielen Dank für die ausführlichen Informationen.
Besten Gruß Olaf