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Cannabis-Gesetzentwurf: Überblick und Kommentar

[HINWEIS: Dieser Beitrag bezieht sich auf den CanG Referentenentwurf vom 6. Juli 2023. In neueren Beiträgen haben wir den im August 2023 verabschiedeten Kabinettsentwurf analysiert und die (finalen) Änderungen nach den Anhörungen und Verhandlungen der Fachpolitiker im November beleuchtet.]

Nun ist er also da – der offizielle Gesetzentwurf für die „Säule 1“ der Cannabis-Legalisierung. Nachdem es Ende April schon mal einen Leak aus dem Bundesgesundheitsministerium gegeben hatte, ist am 6. Juli endlich der Referentenentwurf für ein Cannabisgesetz (Link zum PDF) veröffentlicht worden, wie er aus der Ressortabstimmung gekommen ist. Lauterbach hat damit rein technisch gesehen sein Versprechen eingehalten, dass es noch vor der parlamentarischen Sommerpause einen Gesetzentwurf geben werde – wenn auch erst am allerletzten Tag und obgleich der Entwurf es natürlich nicht mehr vor den Ferien in den Bundestag geschafft hat.

Zum Leak aus dem Frühjahr hatten wir uns an dieser Stelle eine Kommentierung gespart. Zwar stammte das Dokument augenscheinlich vom Schreibtisch einer Referentin im BMG, aber wie es an die Öffentlichkeit kam und welche Relevanz jener Entwurf tatsächlich schon hatte, war ziemlich unklar. Zwischenzeitlich gab es auch noch weitere vermeintliche, jedenfalls reichlich ominöse Leaks, so dass man gut beraten war, nicht alles für bare Münze zu nehmen.

Cannabis-Gesetzentwurf vom 6. Juli 2023

Der jetzige Cannabis-Gesetzentwurf bestätigt das, denn im Vergleich zum ersten Leak hat sich nicht nur die Struktur deutlich verändert, sondern es gibt auch durchaus weitreichende inhaltliche Änderungen. Leider muss man aber gleich vorab sagen: Wenigen positiven Änderungen stehen jede Menge Punkte gegenüber, die sich deutlich verschlechtert haben, oder die zumindest sehr, sehr zweifelhaft sind. Sowohl, was die CSCs (im Lauterbach-Sprech: Anbauvereinigungen) als auch den privaten Eigenanbau betrifft, ist der Referentenentwurf extrem restriktiv. Auch vonseiten der engagierten Parlamentarier Carmen Wegge und Dirk Heidenblut wurde das schon so konstatiert, vom Deutschen Hanfverband und anderen Aktivist*innen sowieso. Nun war schon länger klar – spätestens seitdem im April 2023 das zweite Eckpunktepapier präsentiert wurde – dass im federführenden Bundesgesundheitsministerium keine besonders liberale und progressive Vorstellung von einer Cannabis-Regulierung herrscht.

 

Beim nun vorgelegten „Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ – kurz Cannabisgesetz oder CanG – fragt man sich allerdings an vielen Stellen: Was soll damit eigentlich bezweckt werden?

 

Oder wahlweise auch: Wie kommt man auf solche bekloppten Ideen?

Was zum Eigenanbau und zu Cannabis Social Clubs (pardon: Anbauvereinigungen) drinsteht, erklären wir gleich. Vorher aber die vielleicht beste Nachricht: Der Referentenentwurf ist in keiner Hinsicht final. Schon im Kabinettsentwurf sind signifikante Änderungen möglich. Und der geht dann in den Bundestag, wo er hoffentlich weiter zu einem praktikablen Gesetz geschliffen wird, das die Hoffnungen der Cannabis-Konsumenten und -Interessierten in Deutschland nicht gnadenlos enttäuscht. Fingers crossed! 🤞

Der Cannabis-Gesetzentwurf besteht im Wesentlichen aus drei Teilen:

  • dem Gesetz zum privaten und zum gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Eigenanbau von Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken – Cannabisanbaugesetz (CanAnbauG)
  • dem Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken – Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG)
  • sowie den Änderungen an anderen Gesetzen und Vorschriften (insbes. Betäubungsmittelgesetz, Strafgesetzbuch und Fahrerlaubnis-Verordnung)

Die komplette Herausnahme von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ist ein Meilenstein in der deutschen Drogenpolitik und die Grundlage für den gesellschaftlich akzeptierten Umgang mit Cannabis ohne Stigmatisierung und Kriminalisierung von Konsument*innen. Dies ist gar nicht hoch genug einzuschätzen und verdient deshalb an dieser Stelle besondere Erwähnung.

Im Folgenden gehen wir aber überwiegend und detailliert auf den ersten Teil ein, der neben der Entkriminalisierung die Clubs und den Eigenanbau zuhause umfasst.

 

Allgemeine Regelungen für Besitz und Konsum von Cannabis

Mit der Streichung von Cannabis aus dem BtMG ist der Besitz und Konsum künftig prinzipiell erlaubt und nicht mehr strafbar. Das Cannabisgesetz gibt hierfür den Rahmen vor und grenzt das künftig Erlaubte sogleich wieder spürbar ein. Die wichtigsten allgemeinen Punkte und ein paar Gedanken dazu:

  • Privatpersonen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr ist der Besitz von max. 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt. Darüberhinausgehende Mengen sind nach wie vor verboten, ebenso wie Handel, Einfuhr/Ausfuhr, Abgabe und Erwerb – mit Ausnahme der unten erläuterten Regelungen für Anbauvereinigungen.
  • Als Cannabis sind neben Marihuana und Haschisch auch (Teile von) Cannabispflanzen definiert. Dies wirft schon gleich das Problem auf, worauf sich die 25 Gramm beziehen, denn damit können ja nur Blüten und Haschisch und keine ganzen Pflanzen gemeint sein.
  • Die Extrahierung von Cannabinoiden, einschließlich THC und CBD, ist verboten. Damit sind Extrakte ausgeschlossen, obwohl sie einen schonenderen Konsum ermöglichen und sich in anderen regulierten Märkten, bspw. in Nordamerika, wachsender Beliebtheit erfreuen. Begründet wird dies vor allem damit, dass Extrakte einen hohen THC-Gehalt aufweisen könnten, was erhebliche Gesundheitsgefahren mit sich bringe. Warum man dann nicht lieber eben diesen THC-Gehalt begrenzt, bleibt ein Geheimnis.
  • Neben Extrakten ist auch die Vermischung von Cannabis mit Lebensmitteln verboten, sodass die ebenfalls beliebten Edibles und Drinkables in Deutschland nicht möglich sind. Hier wird vor allem auf den Kinder- und Jugendschutz verwiesen. Das ist einerseits nachvollziehbar, spricht den Konsumenten aber andererseits jegliche Eigenverantwortlichkeit ab.
  • Zudem darf Cannabis nicht mit Aromen oder sonstigen Zusätzen versehen werden, um keine zusätzlichen Konsumanreize zu schaffen.
  • Dass die Vermischung von Cannabis mit Alkohol, Tabak und Nikotin nicht zulässig ist, versteht sich von selbst und ist sicher sinnvoll.
  • Die Einfuhr von Cannabis-Samen wird aus EU-Staaten erlaubt. Das gilt sowohl für den privaten Eigenanbau wie auch für Anbauvereinigungen. Spezialisierte Produzenten, insbes. aus Österreich und Holland, stehen schon in den Startlöchern, um den deutschen Markt über ihre Onlineshops zu bedienen. Nicht erlaubt wird dagegen die Einfuhr von Stecklingen, diese können nur über die Anbauvereinigungen bezogen werden.
  • Es gilt ein Konsumverbot für Cannabis für unter 18-Jährige sowie in deren Gegenwart. In diesem Zusammenhang sind bestimmte Bereiche für den öffentlichen Konsum tabu, nämlich Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportstätten und Kinderspielplätze. Das Konsumverbot gilt, außer bei den Sportstätten, auch jeweils in einem 200-Meter-Umkreis um diese Einrichtungen. Außerdem müsst ihr Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr meiden, nur abends und nachts darf dort gekifft werden. Der Mindestabstand von 200 m Luftlinie führt faktisch dazu, dass in größeren Städten so gut wie nirgends öffentlicher Konsum möglich sein wird. Abgesehen davon ist fraglich, wie das in der Praxis kontrolliert werden soll. Dass man keinen Joint auf dem Kinderspielplatz rauchen sollte, ist klar. Aber muss ich dann als Konsument jeweils vorher prüfen, dass nicht irgendwo in 200 m Umkreis eine Schaukel steht? Das darf man getrost als weltfremd bezeichnen.
  • Mit dem Konsumverbot in den Anbauvereinigungen (und, ihr habt’s geahnt, 200 m drumherum) schießt der Gesetzentwurf aber vollends den Vogel ab. Socializing im Cannabis Social Club ist offenbar nicht erwünscht – mehr dazu unten.
  • Ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Cannabis und die Clubs gibt es auch noch, das allerdings wenig überraschend.

 

 

Privater Eigenanbau – was ist erlaubt und wie

Endlich legal zuhause anbauen, ausprobieren und den Eigenbedarf günstig decken: Darauf darf man sich freuen, aber auch hier geizen die Referent*innen aus dem Gesundheitsministerium leider nicht mit kruden Ideen:

  • Erlaubt sein soll der Anbau von insgesamt bis zu drei Cannabispflanzen gleichzeitig. Das Problem dabei: Dies umfasst Pflanzen in jedem Stadium, also auch Stecklinge oder Jungpflanzen. Im Leak von Ende April war noch von drei blühenden weiblichen Pflanzen die Rede, was zumindest etwas realistischer wäre. Die oben schon erwähnten Parlamentarier hatten sogar fünf blühende Pflanzen gefordert. Man darf also hoffen, dass diese Regelung im weiteren Verlauf (wieder) entschärft wird. Immerhin: Die Anzahl von drei Pflanzen gilt pro volljähriger Person im Haushalt. Studenten-WGs werden frohlocken und sollten schon mal den Balkon freiräumen.
  • Angebaut werden darf nur am Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort. Auch das ist Unsinn, denn damit ist der Anbau im Schrebergarten oder der gemieteten Garage nicht möglich – und viele Leute, die zuhause gar nicht die Möglichkeiten haben, bleiben außen vor.
  • Die Weitergabe von Cannabis aus eurem Eigenanbau ist nur in eurer Wohnung zulässig, und nur für den „unmittelbar auf die Weitergabe folgenden gemeinschaftlichen Konsum“. Hier dann also doch etwas Socializing, aber wehe dein Kumpel nimmt ein paar Gramm von dem guten Zeug mit nach Hause.
  • Um den Eigenanbau zu ermöglichen, dürft ihr pro Monat maximal 7 Samen oder 5 Stecklinge oder insgesamt 7 Samen und Stecklinge als „Vermehrungsmaterial“ vom Anbauverein eures Vertrauens beziehen. Damit macht man sich dann allerdings strafbar, wenn sich daraus mehr als 3 Cannabispflanzen ergeben, oder wie? Ein weiterer Grund, warum die Beschränkung auf drei Pflanzen dringend zu überdenken ist. Für Samen, die ihr online bestellt, ist übrigens keine Mengenbegrenzung vorgesehen. Aber die kann ja noch kommen.
  • THC-Obergrenzen, wie sie für Anbauvereinigungen bei Abgabe an Heranwachsende gelten, spielen beim privaten Eigenanbau keine Rolle.
  • Was die Ernte angeht, müsst ihr euch was überlegen – oder eben akzeptieren, dass ihr euch strafbar macht, wenn eure Pflanzen einen einigermaßen vernünftigen Ertrag abwerfen. Während im geleakten Gesetzentwurf noch geregelt war, dass man die Ernte aus dem Eigenanbau zuhause lagern darf, fehlt dieser Passus im aktuellen Entwurf komplett. Somit gilt die straffreie Besitzmenge von 25 Gramm – und kein Gramm mehr.

 

Grundvoraussetzungen und Vorgaben für Anbauvereinigungen

Aus der schönen Idee von Cannabis Social Clubs haben Karl Lauterbach und seine Referent*innen nun reine „Anbauvereinigungen“ gemacht. Gemeinsamer Konsum im Verein ist tabu, wenn es nach dem Gesetzentwurf geht. Die Begründung dazu lautet, man wolle „keine geselligen Orte mit erhöhten Konsumanreizen“ schaffen. Das war zwar auch schon in den allerersten Eckpunkten und im Leak so vorgesehen, aber das macht die Sache nicht besser. Immerhin besteht die ernsthafte Hoffnung, dass sich gerade in diesem Punkt noch etwas tut, denn der Druck aus der Szene, von Verbänden und Fachpolitikern ist hier ganz erheblich. Wir sprechen deshalb weiter von CSCs – Beharrlichkeit zahlt sich aus.

Dafür dürfen sich die Vereine auf weitreichende Vorschriften, Vorgaben, Verpflichtungen und Einschränkungen gefasst machen, aber der Reihe nach:

  • Anbauvereinigungen sind definiert als eingetragene nicht wirtschaftliche Vereine, deren Vereinszweck „der gemeinschaftliche Eigenanbau und die Weitergabe von Cannabis und Vermehrungsmaterial zum Eigenkonsum“ ist. Der Zweck darf ausdrücklich nicht darüber hinausgehen, obwohl es doch sinnvoll wäre, die CSCs z.B. in die Aufklärungs- und Präventionsarbeit einzubeziehen.
  • Jeder CSC muss nämlich einen Präventionsbeauftragten benennen, der sich im Verein um Jugend- und Gesundheitsschutz sowie den verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis kümmern soll und für die Mitglieder Ansprechperson in Fragen der Suchtprävention ist. Er oder sie muss spezifisch geschult sein und entsprechende Sachkunde nachweisen.
  • Mitglied in einem CSC darf nur werden, wer mindestens 18 ist und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (mindestens 6 Monate lang) in Deutschland hat.
  • Man darf nicht in mehr als einem CSC Mitglied sein und muss bei der Aufnahme eine entsprechende schriftliche Erklärung abgeben. Die Behörden werden das bestimmt auch kontrollieren, indem sie Mitgliederlisten der einzelnen Clubs miteinander abgleichen.
  • Für die Mitgliedschaft gilt eine Mindestdauer von zwei Monaten. Damit soll wohl verhindert werden, dass die Begrenzung der Mitgliederzahl ausgehebelt wird, indem Leute jeweils nur für wenige Stunden oder Tage „Mitglied“ werden, um sich legal Gras zu besorgen – wie das bspw. in Spanien gang und gäbe ist.
  • Denn ein Club darf maximal 500 Mitglieder aufnehmen. Gleichzeitig sollen die Länder ermächtigt werden, die Anzahl der Anbauvereinigungen in einem Kreis oder einer kreisfreien Stadt auf eine je 6.000 Einwohner*innen zu begrenzen. Zwar heißt das nicht, dass diese Begrenzung automatisch kommt. Besonders konservativ geführte Länder – allen voran Bayern – dürften aber wohl davon Gebrauch machen.
  • Bevor ein CSC als Anbauvereinigung tätig werden darf, braucht er eine Erlaubnis der zuständigen Landesbehörde, also eine Lizenz zum Anbau und zur Abgabe von Cannabis. Im Erlaubnisantrag müssen umfangreiche Angaben gemacht werden. Die Behörde soll dann – wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind – die Erlaubnis innerhalb von drei Monaten erteilen. Ob das in der Praxis so funktionieren wird, bleibt abzuwarten. Wir werden das Thema der Erlaubnisvoraussetzungen noch in einem separaten Beitrag beleuchten.
  • Erteilte Erlaubnisse gelten für einen Zeitraum von sieben Jahren, woraus sich durchaus eine gute Planungs- und Investitionssicherheit ergibt. Ursprünglich waren fünf Jahre vorgesehen. Die Erlaubnisbehörden haben jedoch weitreichende Befugnisse, die Lizenzen auch nachträglich mit Bedingungen und Auflagen zu versehen.
  • Für die von der Anbauvereinigung genutzten Flächen und Räumlichkeiten („das befriedete Besitztum“) gilt – analog zum Konsumverbot im öffentlichen Raum – ein Mindestabstand von 200 m Luftlinie zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Kinderspielplätzen (Sportstätten und Fußgängerzonen sind hier immerhin nicht relevant). Auch hier stellt sich wieder die Frage nach der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit, denn…
  • …zugleich darf das befriedete Besitztum nicht durch Werbeschilder oder auffällige Gestaltung von außen erkennbar gemacht werden, und ohnehin ist der Zutritt für Kinder und Jugendliche verboten. Geeignete Schutzmaßnahmen wie Sichtschutz, Umzäunung, einbruchsichere Türen und Fenster verstehen sich von selbst und sind im Eigeninteresse jedes CSCs. Dennoch ist der Mindestabstand ein Killerkriterium – wird er nicht eingehalten, gibt es definitiv keine Erlaubnis.
  • Gleiches gilt, wenn sich das befriedete Besitztum oder Teile davon in einer Wohnung (inkl. private Grundstücke/Gärten) befinden. Euer Verein darf also nicht an einer Privatadresse sitzen, auch wenn er ein reines Privatvergnügen darstellt, da er ja nicht kommerziell ist. Die Begründung hierfür ist bemerkenswert: „Betretungs- und Durchsuchungsrechte der zuständigen Behörde … wären aufgrund des hohen Schutzniveaus der Wohnung gemäß Artikel 13 Absatz 7 Grundgesetz verfassungsrechtlich nur eingeschränkt gewährleistet, so dass eine ausreichende behördliche Überwachung nicht sichergestellt werden könnte.“
  • Stichwort Überwachung: Für alles, was ihr in eurem Anbauverein tut, gelten umfangreiche Dokumentations- und Berichtspflichten. Diese betreffen Namen und Geburtsdaten aller handelnden Personen und Mitglieder, Sorten, Mengen, THC- und CBD-Gehalte des angebauten Cannabis, Stückzahl des Vermehrungsmaterials, Mengen des vernichteten Cannabis usw. Zwar ist ein Einsatz von Track & Trace-Lösungen nicht explizit gefordert, wohl aber anzuraten, um Lücken oder Ungereimtheiten in der Dokumentation zu vermeiden.

 

Gemeinschaftlicher Anbau von Cannabis im CSC

Kommen wir zum „Kerngeschäft“ der Anbauvereinigungen, nämlich dem gemeinschaftlich organisierten Eigenanbau. Hier lauern ohnehin schon fachlich und mit Blick auf die Finanzierung die größten Herausforderungen – und der Gesetzentwurf sieht (natürlich) zusätzliche Hürden vor, von denen einige nur schwer zu nehmen sein werden.

Aus unserer Sicht eines der größten Probleme im aktuellen Gesetzentwurf ist das Transportverbot für Cannabis und Vermehrungsmaterial. Ja, wirklich: Außerhalb des „befriedeten Besitztums“ gilt auch für CSCs die maximale Besitzmenge von 25 Gramm. Eine Ernte von mehreren hundert Gramm oder gar Kilogramm darf über öffentlichen Grund nicht transportiert werden, noch nicht mal von einer Straßenseite auf die andere. Daraus ergibt sich, dass Anbau und Abgabe zwingend am selben Ort stattfinden müssen. Wenn das nicht gewährleistet ist, ist dies ein weiteres Ausschlusskriterium für die Lizenzerteilung.

Vor allem für Vereine in größeren Städten dürfte das erhebliche Schwierigkeiten aufwerfen. Erstens gibt es schon so kaum geeignete und vor allem bezahlbare Flächen für den Anbau mitten in der Stadt. Zweitens reduziert sich deren Zahl weiter, wenn man die Mindestabstände berücksichtigt. Viele Clubs aus Berlin, Hamburg, München usw. hatten sich deshalb darauf eingestellt, im Umland anzubauen und in der Stadt nur eine relativ kleine Abgabestelle zu unterhalten. Nach jetziger Lesart müssten stattdessen die Mitglieder ins Umland fahren, um sich ihr Gras abzuholen, was drittens sehr lange Wege für viele Mitglieder bedeutet. Denn der Versand oder die Lieferung von Cannabis ist natürlich ebenfalls ausgeschlossen. Das Ergebnis kann man sich ausmalen: Für die Clubs steigt das wirtschaftliche Risiko, nur wenige werden sich darauf einlassen (können), teure Anbauflächen in der Stadt anzumieten. Und der Kreuzberger Konsument bleibt dann doch lieber bei seinem Dealer im Görli, anstatt eine Stunde nach Brandenburg rauszufahren.

 

Cannabis Transportverbot
Das Cannabis-Transportverbot kann nicht ernst gemeint sein – so auch unser Symbolbild (KI-generiert) 😂

 

Transportverbot von Cannabis: Ein Fehler oder Kalkül?

Wir wollten das anfangs für einen Denkfehler der Referent*innen aus dem BMG halten, mussten aber feststellen, dass dies explizit so gewollt ist. Begründet wird es damit, dass ansonsten Polizei und Ordnungsbehörden „die straffreien Besitzmengen nicht hinreichend rechtssicher kontrollieren“ könnten. Auf Deutsch: Es könnte sich ja dann jeder, der mit mehr als 25 Gramm unterwegs ist, als Transporteur für einen Anbauverein ausgeben. Ernsthaft? Schon heute wird medizinisches Cannabis kreuz und quer durch die Republik transportiert und per Paket verschickt. Und ausgerechnet für CSCs soll das nicht möglich sein?

Die Einschränkung ist allerdings so eklatant und die Begründung so schwach, dass wir guter Dinge sind, dass das Transportverbot keinen Bestand haben und am Ende eine Trennung von Anbau- und Abgabeort möglich sein wird. Das Ganze ließe sich ja ziemlich einfach lösen, indem z.B. Transporte von den Anbauvereinigungen vorab angezeigt und dokumentiert werden.

 

Der nächste Fallstrick lauert bei der Frage, wer den Anbau im CSC organisiert und durchführt. Viele werden zustimmen, dass man das Profis überlassen sollte, die dafür auch angemessen bezahlt werden. Schließlich tragen die Grower und Growmaster die wesentliche Verantwortung für die Ernte und damit das von den Mitgliedern investierte Geld. Im Bundesgesundheitsministerium hat man aber offenbar eine andere Vorstellung: Nur die Mitglieder sollen gemeinschaftlich anbauen, und alle haben dabei aktiv mitzuwirken. Ob das bei bis zu 500 Mitgliedern so schlau ist, wo doch viele Gärtner bekanntlich das Gras verderben?

Noch schlimmer aber ist die Einschränkung, dass für den Anbau niemand angestellt und ebenso wenig extern beauftragt werden darf. Höchstens geringfügig Beschäftigte („Mini-Jobber“) dürfen mit Hilfstätigkeiten betraut werden. In der Praxis wird das freilich, gerade bei großen Vereinen, kaum funktionieren. Deshalb sind wir auch in diesem Punkt zuversichtlich, dass der Gesetzentwurf noch angepasst wird, denn im Leak von Ende April war explizit noch die Möglichkeit von Vollzeitbeschäftigten für CSCs vorgesehen.

 

Kontrollierte Abgabe an Club-Mitglieder

Wenn man sich als Cannabis Social Club dann doch über eine gute Ernte freuen darf, gilt es diese an die Mitglieder zu bringen. Dafür sind folgende Regelungen vorgesehen:

  • Erlaubt ist für CSCs die Abgabe von Cannabis nur in Reinform als Blüten oder Haschisch. Wie oben schon erwähnt, sind andere Darreichungsformen wie Extrakte oder gar Edibles im Gesetzentwurf ausgeschlossen.
  • Maximal dürfen an jedes Mitglied pro Tag 25 g (analog zur straffreien Besitzmenge) und pro Monat 50 g abgegeben werden. Für Heranwachsende (18-21 Jahre) ist die monatliche Menge auf 30 g begrenzt, zudem gilt hier eine Obergrenze für den THC-Gehalt von 10%.
  • Die Bezahlung des abgegebenen Cannabis muss über die satzungsgemäßen Mitgliedsbeiträge mit zusätzlichen Pauschalen, gestaffelt je nach Abnahmemenge, erfolgen. Weitere Entgelte dürfen von den Mitgliedern nicht verlangt werden, also auch kein Abgabepreis pro Gramm – obwohl dies ursprünglich so vorgesehen war und ja auch sinnvoll und praxisnah wäre. Jedes Mitglied muss sich also nun vorab entscheiden, in welcher Höhe er oder sie Beiträge zahlt, und dann eben auch die entsprechende Menge abnehmen. Für spontanen Mehr- oder Minderbedarf bleibt da kein Spielraum – nicht gerade verbraucherfreundlich. Auch für Samen und Stecklinge dürfen keine zusätzlichen Entgelte kassiert werden.
  • Die Weitergabe darf nur zwischen Mitgliedern und nur bei persönlicher Anwesenheit erfolgen. Somit sind sowohl externes Verkaufspersonal als auch der Versand und die Lieferung von Cannabis ausgeschlossen.
  • Bei jeder Abgabe von Cannabis ist neben der abgegebenen Menge und dem THC-Gehalt der volle Name und das Geburtsdatum des annehmenden Mitglieds zu dokumentieren. Datenschutzrechtlich ist das höchst bedenklich. Die überwachenden Behörden erhalten vollen Einblick, wer wann was und wie viel abnimmt. Für die Einhaltung der Höchstmengen wäre das eigentlich nicht notwendig: Diese könnte man auch anonymisiert z.B. über eine Mitgliedsnummer sicherstellen.
  • Die Abgabe muss in neutraler Verpackung erfolgen und es muss ein umfangreicher Beipackzettel mit ausgehändigt werden, der nicht nur über Sorte, THC- und CBD-Gehalt Auskunft gibt, sondern auch über gesundheitliche Gefahren, Vorkehrungen zum Kinder- und Jugendschutz, Wechselwirkungen bei Mischkonsum usw. aufklärt.
  • Vermehrungsmaterial darf von den Anbauvereinen auch an Nicht-Mitglieder abgegeben werden, die erlaubten Mengen hatten wir unter dem Punkt Eigenanbau schon erläutert. Hierbei gilt, wie im Übrigen auch, das Prinzip der Selbstkostendeckung, d.h. die Erstattung der für die Herstellung entstandenen Kosten.

 

Fazit

Der Spiegel schrieb in einer Glosse über den aktuellen Gesetzentwurf:

Ein Gesundheitsminister, der Salz und Grillfleisch für mordsgefährlich hält, soll Cannabis legalisieren. Das kann nur schiefgehen.

Damit hat der Autor Alexander Neubacher den Nagel so ziemlich auf den Kopf getroffen. Das geplante Cannabisgesetz atmet jedenfalls im Referentenentwurf den Geist von Restriktion, Verhinderung und totaler behördlicher Überwachung. Damit auch ja nichts aus dem Ruder laufen kann, unterbindet man alles, was Spaß machen könnte, lieber gleich von vornherein. Den Clubs wie auch den Home Growern gönnt man nur minimale Freiheiten – obwohl doch gerade sie einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten sollen. Den Schwarzmarkt signifikant zurückdrängen, Gesundheits- sowie Kinder- und Jugendschutz spürbar stärken war die Devise. So wird das aber nichts! Die Bundesregierung sollte aufpassen, dass sie mit ihrem groß angekündigten Legalisierungsvorhaben nicht krachend scheitert. In der Diskussion wurde öfter auf das Regulierungsmodell in Malta verwiesen. Als Benchmark taugt das indes nicht – anderthalb Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes gibt es dort noch keinen einzigen CSC.

Die Hoffnung liegt nun auf dem weiteren Verfahren, dem Input von vielen Expert*innen aus der Szene und der Branche, auf den engagierten Fachpolitiker*innen der Ampelfraktionen, dem gesunden Menschenverstand und natürlich dem Willen und dem Mut zu echter Veränderung. Herr Lauterbach, hören Sie drauf und trauen Sie sich!

 

So geht’s weiter

Bis zum 24. Juli sind die Bundesländer und zahlreiche Verbände – u.a. der Deutsche Hanfverband und der Bundesverband Cannabiswirtschaft (BvCW) – aufgefordert ihre Stellungnahmen zum Gesetzentwurf abzugeben. Auch wir von CSC Maps beteiligen uns daran und haben im Rahmen des BvCW intensiv an der Kommentierung des Referentenentwurfs mitgewirkt.

Das Feedback aus der Länder- und Verbändeanhörung fließt ein in einen Kabinettsentwurf des Cannabisgesetzes, der hoffentlich schon deutlich besser aussehen wird als der hier beleuchtete. Mit der Vorlage des Kabinettsentwurfs ist etwa Mitte August zu rechnen. Dann wird dieser vom Kabinett beschlossen und sollte somit rechtzeitig zum Ende der Sommerpause Anfang September in den Bundestag eingebracht werden. [Update: Hier haben wir die wichtigsten Punkte aus dem Kabinettsentwurf vom 16. August 2023 zusammengefasst.]

Im Bundestag werden dann die erwähnten Fachpolitiker*innen ihre Vorstellungen einbringen und wo nötig weitere Anpassungen vornehmen, um am Ende ein gutes und praktikables Gesetz zu verabschieden. Auch in diesem Zuge werden voraussichtlich noch einmal Verbände und Expert*innen aus der Praxis gehört werden. Wenn alles gut läuft, es keine weiteren Verzögerungen gibt und auch tatsächlich keine Zustimmung des Bundesrates nötig ist, kann der Bundespräsident das beschlossene Cannabisgesetz im September oder Oktober unterzeichnen.

Drücken wir die Daumen, dass es so kommt!

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