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Geplante Änderung und Verschärfung des CanG: Niemand kann das ernsthaft wollen!

Wichtig: Offener Brief gegen die CanG-Verschärfung

Um allen Clubs, die unmittelbar von der drohenden Verschärfung betroffen wären, eine Stimme zu geben, haben wir einen offenen Brief initiiert. Diesen haben innerhalb weniger Tage 120 CSCs und mehr als 2.000 Privatpersonen unterzeichnet. Am 8. Mai – rechtzeitig vor der geplanten 1. Lesung des Änderungsgesetzes im Bundestag – haben wir den offenen Brief mit der Liste der unterzeichnenden Vereine an die Regierungsfraktionen und die Gruppen Die Linke und BSW im Bundestag geschickt. Den offenen Brief findet ihr hier als PDF. Die zugehörige Petition könnt ihr auch immer noch hier unterzeichnen. Wenn ihr für einen CSC unterschreibt, gebt bitte den Vereinsnamen im Feld „vollständiger Name“ an und markiert eure Unterschrift im zweiten Schritt als „öffentlich“.

Die 1. Lesung und damit die Einbringung des Änderungsgesetzes im Bundestag steht für den 16. Mai spätabends auf der Tagesordnung.

Nach dem Inkrafttreten ist vor der Änderung?

Keine drei Wochen, nachdem das CanG in Kraft getreten ist, treibt die Bundesregierung – offenbar weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit – das erste Änderungsgesetz voran. Damit soll vor allem die Protokollerklärung umgesetzt werden, die Karl Lauterbach kurz vor der entscheidenden Bundesratssitzung am 22. März vorgelegt hatte, um die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch die Länder zu verhindern. Wie wir wissen, ging der Plan auf: Neben Bayern stimmten nur Baden-Württemberg, Brandenburg und das Saarland für einen Vermittlungsausschuss – der damit nur 19 von 35 notwendigen Stimmen bekam.

Teuer erkaufte Zustimmung im Bundesrat

Das Ganze sah also aus wie ein kluger Schachzug Lauterbachs, um das CanG wie versprochen durchzubringen. Mit Blick auf die Entkriminalisierung der Konsumenten kann man auch durchaus sagen: Chapeau! Allerdings ließ der Wortlaut der Protokollerklärung schon erahnen, dass diese Taktik zulasten der CSCs gehen könnte. Zwar hatte die Protokollerklärung selbst keinerlei Rechtsverbindlichkeit. Nun scheint sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) aber an die Zusage halten zu wollen, indem die in Aussicht gestellten Änderungen schnell Gesetzeskraft erlangen: Am 18. April tauchte erstmals der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Konsumcannabisgesetzes und des Medizinal-Cannabisgesetzes (hier als PDF) auf. Dieser geht inhaltlich sogar noch über die Protokollerklärung hinaus. Im Wesentlichen sollen zwei Punkte in Bezug auf Anbauvereinigungen „klargestellt“ werden:

Nr. 1: Verhinderung von „Großanbauflächen“

Es soll sichergestellt werden, dass „nicht eine Vielzahl von Anbauvereinigungen Anbauflächen am selben Ort bzw. im selben Objekt betreiben dürfen“ – so die Formulierung in der Protokollerklärung. Im Änderungsgesetzentwurf wird daraus ein möglicher Versagungsgrund, wenn

die Anbauflächen oder Gewächshäuser der Anbauvereinigung

  1. a) in einem baulichen Verbund mit Anbauflächen oder Gewächshäusern anderer Anbauvereinigungen stehen, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht sind, oder
  2. b) sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zu Anbauflächen oder Gewächshäusern anderer Anbauvereinigungen befinden.

Konkret bedeutet das:

Die Länder entscheiden, was geht und was nicht

Es wird dem Ermessen der jeweiligen Erlaubnisbehörde überlassen, ob für Anbauflächen, die von mehreren CSCs gemeinsam bewirtschaftet werden, eine Erlaubnis erteilt wird oder nicht. Der Gesetzgeber im Bund macht sich also einen schlanken Fuß und wälzt die Entscheidung auf die Länder ab. Man muss befürchten, dass dort das Ermessen eher eng ausgelegt wird – nach dem Motto: bevor ich etwas Falsches erlaube, erlaube ich lieber gar nichts – oder dass Länder, die der Säule 1 ohnehin kritisch gegenüberstehen, dieses Einfallstor nutzen werden, um das Entstehen relevanter Club-Strukturen möglichst zu blockieren. Für angehende Anbauvereinigungen ist dies ein weiterer Unsicherheitsfaktor in ihrer Planung. Im Falle länderübergreifender CSCs – z.B. Anbau in Brandenburg, Abgabe in Berlin – könnten am Ende sogar zwei verschiedene Landesbehörden von ihrem Ermessen Gebrauch machen und das ganze Projekt untersagen.

Zwei Clubs sind (möglicherweise) eine Großplantage

Diese Kann-Regelung kommt bereits dann zum Tragen, wenn mehr als ein Club im selben Objekt anbauen möchte. Und das, obwohl bei zwei, drei, ja auch fünf oder zehn CSCs sicher noch nicht von einer „Vielzahl“ und auch nicht von „Großanbauflächen“ die Rede sein kann, die es laut Begründung zu verhindern gilt. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, zumindest einen Sockel von z.B. 5 Anbauvereinigungen zu definieren, bis zu dem weiterhin ein Anspruch auf Erlaubniserteilung besteht, wenn alle anderen Voraussetzungen vorliegen. Schlimmer noch: Der unbestimmte Begriff der „unmittelbaren räumlichen Nähe“ könnte sogar dazu führen, dass mehrere Anbauflächen innerhalb derselben Ortschaft untersagt werden, selbst wenn sie in unterschiedlichen Objekten liegen. So kann man jedenfalls die Begründung zu diesem Punkt deuten, in der auch auf die Möglichkeit verwiesen wird, die Zahl der erlaubten Anbauvereinigungen auf eine pro 6.000 Einwohner zu beschränken.

Gemeinsame Bewirtschaftung war im CanG noch ok

All das muss man vor dem Hintergrund betrachten, dass in der Begründung zum CanG-Kabinettsentwurf (eine aktuellere Begründung/Erläuterung zum CanG liegt nicht vor) explizit vorgesehen war:

Mehrere Anbauvereinigungen können Anbauflächen gemeinsam bewirtschaften, sofern diese klar voneinander abgegrenzt sind, eine zweifelsfreie Zuordnung der Pflanzen und Erträge gewährleistet ist und die Anbauvereinigungen die gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben einhalten und ihre jeweiligen Pflichten nach diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften jeweils individuell erfüllen.

Offenbar hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Bündelung des Anbaus als durchaus relevant und sinnvoll erachtet, will sie aber nun den diffusen Bedenken einiger Länder opfern.

Nr. 2: Verhinderung von „gewerblichen Geschäftsmodellen mit gebündelten Paketleistungen“

Der zweite Punkt betrifft alle Tätigkeiten jenseits des gemeinschaftlichen Eigenanbaus und der Weitergabe von Cannabis – also alles, was die Anbauvereinigungen nicht von Gesetzes wegen selbst erledigen müssen. Hier soll § 17 Abs. 1 durch folgenden Satz ergänzt werden:

Anbauvereinigungen dürfen denselben sonstigen entgeltlich Beschäftigten oder dasselbe Nichtmitglied nicht mit mehr als einer Art von Tätigkeit nach Satz 3 beauftragen.

Klingt zunächst relativ harmlos, aber was heißt es:

Nur eine „Tätigkeit“ pro Dienstleister…

Jeder Dienstleister oder Dritte, den ein CSC beauftragt, darf nur eine Leistung für den Verein erbringen. Zu den „Tätigkeiten“ im Sinne dieser Regelung zählen „jegliche gegen Entgelt erbrachte Leistungen“, also auch die Vermietung/Verpachtung von Flächen, die Lieferung von Strom, Heizenergie o.ä. Schon ein normaler Pachtvertrag, der auch die Bereitstellung von Anbau-Equipment oder die Energielieferung auf Basis einer Nebenkostenabrechnung beinhaltet, wäre nach dieser Regelung verboten. Stattdessen müssten für alles unterschiedliche Firmen/Dritte beauftragt werden.

…und pro Angestelltem

Das gilt sogar für Angestellte des Vereins, egal ob Mitglied oder nicht. Wenn also jemand für die Buchhaltung angestellt würde, dürfte die Person sich nicht gleichzeitig um die Mitgliederverwaltung oder andere administrative Dinge kümmern. Wer für Objektsicherheit zuständig ist, dürfte nicht auch den Transport von Cannabis begleiten usw.

Eine solche Vorschrift, wenn sie denn käme, wäre nicht nur völlig lebensfremd, sondern ein krasser Eingriff in die Privatautonomie der Vereine, die durch das Grundgesetz (Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) geschützt ist.

Einschränkung ohne Sinn und Notwendigkeit

Wie schon beim Thema „Großanbauflächen“, geht auch dieser Regulierungsansatz über das hinaus, was in der Protokollerklärung zugesagt worden ist. Denn dort ging es zuvorderst darum, dass klargestellt wird, „welche Tätigkeiten Anbauvereinigungen nicht an gewerbliche Anbieter auslagern dürfen, um eine europarechtswidrige Kommerzialisierung des Anbaus auszuschließen“. Weder erfolgt aber mit der Änderung eine solche Klarstellung, noch ist sie überhaupt nötig. Denn dies ist im verabschiedeten CanG bereits geregelt: Nicht ausgelagert werden dürfen nach § 17 Abs. 1 „unmittelbar mit dem gemeinschaftlichen Eigenanbau oder der Weitergabe von Cannabis verbundene Tätigkeiten“. In den FAQs zum Cannabisgesetz (Nr. 29) erläutert das BMG dies noch anhand von Beispielen, und die Sache ist ziemlich eindeutig. Zudem trägt auch das Argument des Europa- und Völkerrechts nicht, weil dieses keinen weitergehenden Ausschluss von gewerblichen Dritten fordert. Der nicht-kommerzielle Charakter von Anbauvereinigungen steht und fällt in keinster Weise damit, ob ein externer Dienstleister nun mehrere Tätigkeiten erbringt, oder nur eine.

Was steckt dahinter?

Offiziell, so auch in der Begründung des Änderungsgesetzentwurfs, muss das Europa- und Völkerrecht für so ziemlich alle weltfremden Vorschriften herhalten, die das CanG bereits mitbringt, und die nun noch einmal verschärft werden sollen. In Wahrheit geht es aber eher um etwas ganz Anderes: Einige Bundesländer, allen voran Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, haben große Bedenken, dass die organisierte Kriminalität (OK) die Teillegalisierung nutzen könnte, um Teile ihres Geschäfts aus dem Schwarzmarkt (wenn dieser zurückgeht) in den dann legalen Markt zu verlagern. Ein Mittel hierfür könnte nach Ansicht der Politik der Aufbau von Großplantagen sein, über den man faktisch den Anbau und damit die CSCs, d.h. die gesamte legale Vertriebskette kontrolliert. Angeblich sind bei Razzien im kriminellen Milieu entsprechende Unterlagen oder Pläne aufgetaucht, die diese Sorge nähren.

Nun mag es durchaus richtig und geboten sein, sich mit einer solchen Möglichkeit auseinanderzusetzen. Wenn die Antwort darauf aber lautet, das Cannabisgesetz derart zu verschärfen und die Spielräume der CSCs so drastisch einzuschränken, schüttet man das Kind mit dem Bade aus. Legt man die ohnehin schon hohen Hürden noch höher, sind die Folgen absehbar: Wer seriös und ganz legal tätig werden wollte, wird sich das bei so viel Gängelung und solchen Unsicherheiten (aka Ermessen der Behörden) dreimal überlegen. Viele Anbauvereinigungen werden noch mehr Schwierigkeiten haben, ihre Vorhaben zu finanzieren, wenn sie nicht auf spezialisierte Dienstleister zurückgreifen können. Wenn jeder Club für sich anbauen muss, wird der Anbau ineffizient, teuer und mit hoher Wahrscheinlichkeit qualitativ schlechter.

Vor dem Hintergrund der Kernziele des CanG – verbesserter Kinder-, Jugend- und Konsumentenschutz sowie Zurückdrängung des Schwarzmarkts – wäre das völlig absurd und kontraproduktiv. Das Gegenteil würde mit den Verschärfungen erreicht: Es könnten sich kaum in relevantem Umfang CSCs etablieren. Der Schwarzmarkt bliebe weitgehend unberührt, wovon nur wer profitieren würde? Richtig, die OK! Und abgesehen davon würde die OK – anders als seriöse Anbieter – auch Mittel und Wege finden, die unsinnigen Regelungen zu umgehen. Mit Scheinfirmen und dergleichen kennt man sich ja aus im Milieu.

Hauptsache schnell, statt gut gemacht?

Wer möchte, dass die Säule 1 der Regulierung und damit das jetzige CanG ein Erfolg wird, muss das Änderungsgesetz in der Form, wie es aktuell vorliegt, unbedingt verhindern. Widerstand formiert sich bereits, allerdings besteht Anlass zur Sorge: Es entsteht der Eindruck, dass der Entwurf förmlich durch die Fraktionen und das Parlament gepeitscht werden soll. Eine Debatte über die Sinnhaftigkeit und möglichen Auswirkungen der Änderungen scheint nicht erwünscht. Als der Änderungsgesetzentwurf öffentlich wurde, war er vom Kabinett bereits abgesegnet. Nur fünf Tage später, am 22. und 23. April, sollte er bereits von den Fraktionen beraten, oder wohl eher durchgewunken werden, um ihn in der Sitzungswoche Mitte Mai in den Bundestag einzubringen. Die Grünen und die FDP haben das zunächst vereitelt, aber dennoch steht der Entwurf aktuell für den 16. Mai auf der Tagesordnung des Plenums.

Sicher scheint etwas Eile geboten, da aus Sicht des BMG und der Länder die Änderungen ja noch vor dem 1. Juli und damit rechtzeitig vor der Club-Regulierung in Kraft treten sollen. Aber ein sauberes parlamentarisches Verfahren sieht unserer Meinung nach anders aus. Vor allem, wenn man sich erinnert, wie quälend lange das CanG selbst verschleppt worden ist. Immerhin: Es dürfte wohl relativ schnell Klarheit geben, ob und wie die Änderungen tatsächlich kommen. Wir halten Euch auf dem Laufenden!

 

Von Michael Lessig

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