Site logo

Cannabis Legalisierung in Deutschland: aktueller Stand

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Pläne und Entwicklungen zur Cannabis-Legalisierung in Deutschland vom Koalitionsvertrag bis zu den Eckpunktepapieren und der Idee des „Zwei-Säulen-Modells“. Den daraus entstandenen Gesetzentwürfen haben wir eigene Beiträge gewidmet: dem Referentenentwurf vom 6. Juli sowie dem inhaltlich sehr ähnlichen und schließlich in den Bundestag eingebrachten Kabinettsentwurf vom 16. August 2023.

 

Cannabis-Legalisierung: Der Koalitionsvertrag

Die Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, in der laufenden Legislaturperiode den Cannabis Markt in Deutschland zu Genusszwecken (im Gegensatz zum verschreibungspflichtigen Medizinalcannabis) zu öffnen.

Im Koalitionsvertrag wurde entsprechend festgehalten:

Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.

Damit gehört die Legalisierung von Cannabis im Freizeitbereich ohne Zweifel zu den großen Reformprojekten der Bundesregierung. Es dauerte allerdings eine Weile, bis die Regierung sich mit dem Projekt eingehender beschäftigt hat. Die Energiekrise und der Ukraine Krieg haben die politische Agenda ordentlich durcheinandergewirbelt.

 


 

Das erste Eckpunktepapier

Ein erstes Eckpunktepapier der Bundesregierung wurde erst im Oktober 2022 vorgestellt. Dieses sah u.a. die Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken durch lizensierte Fachgeschäfte, die Legalisierung des Kaufes und Besitzes von bis zu 30 Gramm Blüten für den Eigenkonsum sowie den Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen vor.

Ein entsprechender Gesetzentwurf sollte noch in 2022 vorgelegt werden. Hierzu kam es allerdings nicht, weil das Vorhaben unter dem Vorbehalt stand, von der Europäischen Kommission genehmigt zu werden. Eine solche „Vorab-Genehmigung“, sieht das Gesetzgebungsverfahren allerdings gar nicht vor und wurde deshalb auch nicht erteilt. Stattdessen wurden in Gesprächen mit der Kommission, obwohl diese laut Lauterbach sehr konstruktiv verlaufen sind, offenbar Vorbehalte gegen Art und Umfang der Regulierungspläne geäußert.

 

Das zweite Eckpunktepapier

Entgegen der ursprünglichen Ankündigung ist daher erst am 12. April 2023 ein neues, mit der Europäischen Kommission abgestimmtes, zweites Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Legalisierung von (Freizeit-)Cannabis in Deutschland vorgestellt worden. Dieses weicht zum Teil deutlich von dem ursprünglichen Entwurf ab. Statt dem Verkauf über Fachgeschäfte mit staatlich überwachten Lieferketten und Produktion soll Cannabis in Deutschland nun zunächst für den privaten Anbau und Gebrauch und in speziellen Vereinen legalisiert werden.

 

Zusammenfassung der Eckpunkte: Das „Zwei-Säulen-Modell“

Wir fassen euch an dieser Stelle die wichtigsten Punkte und den aktuellen Stand der Diskussion zusammen:

Die Legalisierung soll nun in 2 Phasen erfolgen. Die Bundesregierung bezeichnet diesen Ansatz als „CARe“ – „Club Anbau & Regional Modell“.
In Schritt 1 soll der Anbau in (nicht gewinnorientierten) Cannabis Clubs sowie der private Eigenanbau erlaubt werden.

In Schritt 2 soll die Abgabe auch über Cannabis Fachgeschäfte in einem wissenschaftlichen Modellprojekt umgesetzt werden, das allerdings regional und zeitlich begrenzt werden soll.

Da der zweite Schritt einer europarechtlichen Überprüfung standhalten muss (Notifizierungspflicht) und zudem der Zustimmung des Bundesrates bedarf, hat sich die Regierung entschieden, den ersten Schritt vorzuziehen. Die Koalitionspartner können auf diese Weise ihr Wahlversprechen zumindest in Bezug auf die Entkriminalisierung von Cannabis einhalten, ohne dass es zu noch weiteren Verzögerungen kommt.

So weit so gut. Der Nachteil ist allerdings, dass der Verkauf über Fachgeschäfte wie in Holland, Kanada oder den USA erstmal in weite Ferne rückt. Zwar wurde ein Gesetzentwurf Fachgeschäfte für Herbst angekündigt, es darf aber bezweifelt werden, ob dieses in diesem Jahr noch verabschiedet werden kann. Nachdem das Gesetz nämlich durch die parlamentarische Abstimmung gegangen ist, muss es noch der Europäischen Kommission vorgelegt werden. Dann beginnt eine Stillhaltefrist von 3 bzw.6 Monaten (bei Einwänden auf europäischer Ebene, womit zu rechnen ist) bis das Gesetz verabschiedet werden kann. Zu alledem soll der Vertrieb über Fachgeschäfte auch nur als Modellprojekt erfolgen, das zeitlich und räumlich beschränkt ist. Was dies genau bedeutet, wissen wir heute nicht. Wir ahnen allerdings nichts Gutes. Eine Zusammenfassung zur zweiten Säule der Regulierung findet Ihr hier.

In naher Zukunft wird es daher leider nur zwei Wege geben, legal an (Freizeit-)Cannabis zu gelangen.

1.) Eigenanbau
2.) Cannabis Social Clubs (CSC)

Und seien wir ehrlich. Nicht jeder ist zum Home Grower geboren bzw. hat den Nerv oder die Zeit, zuhause auf die nächste Ernte zu warten, sofern die sich überhaupt einstellt.

Für die meisten bleibt künftig daher nur der Weg in den nächsten Social Club. Die CSCs werden nämlich auf absehbare Zeit die einzige Möglichkeit sein, Gras legal zu erwerben. Grund genug, sich mit dem Thema detaillierter auseinanderzusetzen. Wie ist der aktuelle Stand der Diskussion? Was wissen wir bereits heute?

 

Entkriminalisierung, Eigenanbau und CSC: das ist geplant

Wir haben euch die wichtigsten Punkte aus beiden bisherigen Papieren zusammengefasst. Sobald der Gesetzentwurf draußen ist, werden wir den aktuellen Stand aktualisieren.

Entkriminalisierung

  • In der Öffentlichkeit dürfen nur bis zu 25g Cannabis mitgeführt werden. Wer mehr dabei hat, wird bestraft. Strafbar ist auch die Abgabe an Nicht-Mitglieder, Kinder und Jugendliche sowie die Abgabe von Cannabis, das nicht selbst vom Verein angebaut wurde.
  • Die THC-Grenzwerte im Straßenverkehr werden überprüft und orientieren sich dabei ausschließlich an den Erfordernissen der Verkehrssicherheit.
  • Mit Inkrafttreten des Gesetzes werden laufende Ermittlungs- und Straf-verfahren beendet, sofern sie durch das neue Gesetz strafbefreit sind.
  • Der Nichtraucherschutz gilt für Cannabisprodukte analog
  • Jugendliche, die Cannabis konsumieren oder besitzen, müssen verpflichtend an Frühinterventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen.

 

Eigenanbau

  • Max. drei blühende weibliche Pflanzen sind erlaubt, diese sind vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche zu schützen
  • Mglw. wir der Eigenanbau anzeigepflichtig (war im ersten Eckpunktepapier so vorgesehen
  • Bezug der Samen und Stecklinge soll ggf. über die CSC erfolgen (auch für Nicht- Mitglieder)

 

CSC (Social Clubs)

Vereinsstruktur, Mitgliedschaft, Finanzierung

  • Nicht-gewinnorientierte Vereine (CSC) dürfen, unter gesetzlichen Auflagen, Cannabis anbauen und an Mitglieder für den Eigenkonsum zu Genusszwecken abgeben
  • Die Anzahl der Mitglieder pro Verein wird auf max. 500 Mitglieder begrenzt. Das Mindestalter ist 18. Der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort muss in Deutschland sein.
  • Mitglieder sollten, wenn möglich, aktiv im Verein mitwirken
  • Eine Mitgliedschaft in mehreren Vereinen ist nicht möglich
  • Es dürfen nur natürliche Personen (also keine Unternehmen) einen Verein gründen, deren Zuverlässigkeit (wahrscheinlich polizeiliches Führungszeugnis) überprüft wurde.
  • Ein Verein muss den Anforderungen des deutschen Vereinsrechts entsprechen. Der Vorstand des Vereins haftet bei Vermögensschäden oder bei Verstoß gegen behördliche Auflagen nur dann persönlich, wenn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt.
  • Vereine brauchen außerdem eine landesbehördliche Zulassung
  • Die Landesbehörden überwachen die Vereine auf Einhaltung der Vorgaben. Es drohen Bußgelder (und sogar Freiheitsstrafen) bei Verstößen.
  • Vereine dürfen nicht gewinnorientiert arbeiten, die Mitgliedsbeiträge sollen nur die Kosten des Vereins decken
  • Mitgliedsbeiträge können gestaffelt nach Bezugs- bzw. Abgabemenge, ggf. kombiniert mit einer Grundpauschale erhoben werden. Auch Mischformen sind also erlaubt, wie z.B. Monatsbeitrag plus Abgabegebühr pro Gramm.

 

Anbau und Abgabe

  • Vereine dürfen für den Anbau auf Mitarbeiter setzen
  • Eine Auslagerung an Dritte für den Anbau ist nicht erlaubt
  • Ernte- und Anbaumengen müssen auf den Bedarf der Mitglieder ausgerichtet sein und entsprechend dokumentiert werden
  • Die Vereine können sich Saatgut für den (Erst-)Anbau anschaffen. Eine Importmöglichkeit von Saatgut wird wahrscheinlich geschaffen. Der Im- oder Export von Genusscannabis wird dagegen nicht erlaubt.
  • Für den Anbau gelten staatliche Qualitätsvorgaben (z.B. Verbot von Zusatz-stoffen oder Beimengungen wie z.B. Tabak oder Aromen, Vorgaben zu Pflanzenschutzmitteln, Verbot synthetischer Cannabinoide)
  • Cannabis darf durch die Vereine nur in Reinform abgegeben werden (Blüten oder Harz) und muss neutral verpackt sein (auch lose Abgabe mit Informationsblatt soll erlaubt sein)
  • Vereine müssen über ihre Produkte Bescheid wissen und bei Abgabe informieren (Sorte, THC-Gehalt, CBD), Dosierungs- und Anwendungshinweise erstellen, auf Risiken des Konsums hinweisen und Beratungsstellen benennen.
  • Die geernteten Blüten dürfen nur an Mitglieder für den Eigenverbrauch abgegeben werden Die Höchstmenge beträgt 25g pro Tag sowie pro Monat max. 50g Blüten, 7 Samen oder 5 Stecklinge.
  • Für Mitglieder unter 21 Jahren gelten strengere Höchstgrenzen. Die Abgabemenge ist begrenzt auf max. 30g pro Monat. Zusätzlich ist eine Begrenzung des THC-Gehalts für diese Altersgruppe vorgesehen. Diese ist aber noch nicht bekannt.
  • Mitglieder dürfen nicht nur Blüten, sondern auch Samen und Stecklinge für den Eigenanbau vom Verein beziehen
  • Es ist wahrscheinlich, aber noch nicht sicher, dass Samen und Stecklinge zur Qualitätssicherung zwischen den Vereinen getauscht werden können.

 

Compliance, Jugendschutz, Suchtprävention

  • In den Vereinsräumen selbst darf Cannabis nicht konsumiert werden. Auch der öffentliche Konsum nahe Schulen, Kitas o.ä. sowie in Fußgängerzonen bis 20 Uhr soll untersagt werden.
  • Über die Ausgabestellen des Vereins dürfen nicht gleichzeitig Alkohol, Tabak oder andere Genuss- und Rauschmittel ausgegeben werden.
  • Der Zutritt zu den Vereinsräumen ist nur für Erwachsene erlaubt. Eine Alterskontrolle ist verpflichtend.
  • Es werden Auflagen zu Jugendschutz und Suchtprävention erlassen. Jeder Verein muss „Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte“ benennen, die eine entsprechenden Befähigung nachweisen müssen.
  • Eine Kooperation mit lokalen Suchtpräventions- bzw. -Beratungsstellen ist verpflichtend.
  • Vereine müssen einen Mindestabstand zu Schulen, Kitas o.ä. einhalten
  • Für CSCs gilt ein generelles Werbeverbot, sachliche Informationen dürfen hingegen vermittelt werden.
  • Die Vereinsräume müssen gegen den Zugriff Unbefugter abgesichert werden (z. B. einbruchsichere Räumlichkeiten, Umzäunung).
  • Nach 4 Jahren erfolgt eine Überprüfung des Gesetzes im Hinblick auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie die Zurückdrängung des Schwarzmarkts.

 

Zeitrahmen – wie geht es weiter mit der Cannabis Legalisierung?

Zeitschiene der ersten Säule (Anbau und CSCs)

Der Gesetzentwurf zur 1. Säule (Eigenanbau & CSCs) soll bereits Anfang Mai 2023 präsentiert werden. Die Verabschiedung des Gesetzes wird realistisch erst nach der Sommerpause erfolgen können. Mit einem Inkrafttreten des Gesetzes ist daher frühestens im Herbst 2023 zu rechnen. Viele Beobachter gehen allerdings von Anfang 2024 aus. Dies hängt unter anderem auch von der Frage ab, ob das Gesetz auch durch den Bundesrat muss. Lauterbach selbst hält das Gesetz für nicht zustimmungspflichtig. Da allerdings die Länder bei der Umsetzung mitwirken müssen, bestehen an seiner Rechtsauffassung erhebliche Zweifel. Es bleibt also spannend. [Update: Inzwischen ist immerhin klar, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss, sondern das Gesetz lediglich formal zur Kenntnis nehmen wird. Aber wie so oft, dauert dann doch alles länger als geplant/gedacht: Das Cannabisgesetz wird nicht vor März 2024 in Kraft treten können.]

 

Zeitschiene der zweiten Säule (Fachgeschäfte und Lieferketten)

Der Gesetzentwurf zur 2. Säule soll erst nach der Sommerpause vorgelegt werden, also deutlich zeitversetzt zur 1. Säule.

Die politische Sommerpause dauert in der Regel 2 Monate und beginnt Anfang Juli. In dieser Zeit finden im Deutschen Bundestag keine Sitzungen statt. Wir können also frühestens im September, wahrscheinlich eher im Oktober mit einem Entwurf für das Modellprojekt rechnen. Dieser geht dann noch in die parlamentarische Abstimmung und muss außerdem durch die Europäische Kommission notifiziert werden. Dies dauert bei Einsprüchen anderer EU-Länder und Institutionen (und damit ist zu rechnen) weitere 6 Monate. Es stellt sich daher die Frage, ob das Gesetz zur zweiten Säule noch vor der Sommerpause 2024 verabschiedet werden kann.

Ein Inkrafttreten ist daher vor 2025 nicht wirklich wahrscheinlich. Das Problem: 2025 ist Wahljahr.

Falls sich der Gesetzgebungsprozess weiter verzögern sollte, droht die Regulierung zum Wahlkampfthema zu werden. Mit einer Zustimmung durch den Bundesrat wäre dann kaum noch zu rechnen. Insgesamt steht, zumindest hinsichtlich der Fachgeschäfte und Lieferketten, das Reformprojekt Cannabis Legalisierung der Bundesregierung auf wackeligen Beinen.

Es bleibt dabei. Der Eigenanbau und Social Clubs werden auf nicht absehbare Zeit die einzige Möglichkeit sein, legal an Gras zu kommen. CSC Maps hilft Euch dabei, einen Cannabis Club zu gründen bzw. den richtigen Club für Euch zu finden.

Kommentare

  • Keine Kommentare vorhanden.
  • Kommentar erstellen
    error: Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt!