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Scheitert das Cannabisgesetz doch noch am Bundesrat?

Dieser Artikel wurde zuletzt am 21.03.24 aktualisiert.

 

Cannabisgesetz im Bundesrat: finale Stimmenverteilung

Nach dem Tweet von Kretschmer aus Sachsen ging es stetig nach oben mit den Zusagen der Länder, sich enthalten zu wollen.

 

Kretschmers Bundesrat Tweet

 

 

Die Abstimmung fand am 22.03.2024 gegen 11:30 Uhr statt. Eine überwältigende Mehrheit hat sich gegen den Vermittlungsausschuss ausgesprochen. Insgesamt gab es nur 19 von 69 Stimmen für den Vermittlungsausschuss.

 

Hier die finalen Ergebnisse:

 

Enthaltung (=kein Vermittlungsausschuss)

  • Thüringen (4 Stimmen)
  • Schleswig-Holstein (4 Stimmen)
  • Sachsen-Anhalt (4 Stimmen)
  • Bremen (3 Stimmen)
  • Berlin (4 Stimmen)
  • Mecklenburg-Vorpommern (3 Stimmen)
  • Rheinland-Pfalz (4 Stimmen)
  • Hessen (5 Stimmen)
  • Niedersachsen (6 Stimmen)
  • Hamburg (3 Stimmen)
  • Nordrhein-Westfalen (6 Stimmen)

46 Stimmen waren gegen den Vermittlungsausschuss.

Kindergarten-Stimme aus Sachsen (Kretschmer für Enthaltung und Wolfram Günther für VA = nicht gültig)

  • Sachsen (4 Stimmen)

4 Stimmen waren demnach ungültig = ebenfalls kein VA.

 

Pro Vermittlungsausschuss

  • Bayern (6 Stimmen, definitiv für VA und Blockade)
  • Baden-Württemberg (6 Stimmen)
  • Saarland (3 Stimmen)
  • Brandenburg (4 Stimmen)

19 Stimmen waren für den Vermittlungsausschuss.

 

Weiter unten findet ihr noch Infos zur Situation vor der Abstimmung, der Text ist natürlich mittlerweile veraltet. Aktuelle Informationen (zum Beispiel zur Protokollerklärung) findet ihr auf CSC Maps!

 

Plötzlich drohte dem Cannabisgesetz (CanG) der Vermittlungsausschuss

Kaum stand die 2. und 3. Lesung des CanG auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages, machte sich schon wieder Nervosität breit: LTO und Tagesspiegel berichteten von „tumultartigen Szenen“ im Gesundheitsausschuss. Die Beschlussvorlage für die Abstimmung im Plenum fand zwar erwartungsgemäß eine Mehrheit, so dass der Bundestag am Freitag, 23. Februar, den Gesetzentwurf mit den Änderungen vom November 2023 (und einer leicht verschärften Evaluationsklausel) mit beinahe Zwei-Drittel-Mehrheit (404 von 634 abgegebenen Stimmen) verabschieden konnte. Seitdem schwebt aber die Länderkammer als Gespenst im Raum: Der Bundesrat könnte in seiner Sitzung am 22. März den Vermittlungsausschuss anrufen und so das Inkrafttreten des CanG zwar nicht direkt verhindern (nicht zustimmungspflichtig), jedoch erheblich verzögern (Einspruchsgesetz). Noch im Februar galt das aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat als eher theoretisches Szenario.

Auslöser für die Diskussionen, die sich seit der Bundestagsabstimmung mehr und mehr hochgeschaukelt haben, war die rückwirkende Amnestieregelung im Cannabisgesetz, die mutmaßlich zu einem hohen Aufwand bei den Justizbehörden der Länder führen wird. Die Länder hatten deshalb längere Übergangsfristen statt eines de facto sofortigen Inkrafttretens am 01. April 2024 gefordert. Irrwitzige Zahlen wurden in den Ring geworfen: Die Deutsche Richterzeitung sprach zuletzt von 210.000 Strafakten, die deutschlandweit angeblich überprüft werden müssten. Die Bundesregierung geht dagegen von nur wenigen hundert Fällen aus, die sich auf Cannabis-Delikte beziehen, welche nach dem CanG straffrei werden.

Wir hatten die Debatte Anfang März zum Anlass genommen, uns im Namen von 100 unterzeichnenden CSCs in einem offenen Brief an die Ländervertreter zu wenden, um eine Blockade des CanG durch den Bundesrat zu verhindern.

 

Situation im Bundesrat

Der Bundesrat verfügt über 69 Sitze, die Anrufung des Vermittlungsausschusses erfordert eine einfache Mehrheit, also 35 Stimmen. Wenn innerhalb einer Landesregierung keine Einigkeit über das Abstimmungsverhalten herrscht, enthält sie sich im Bundesrat, da die Stimmen eines Landes nicht gesplittet werden können. Aktuell gibt es nur 2 Bundesländer, bei denen per se von Einigkeit in Bezug auf das Cannabisgesetz ausgegangen werden kann: Bayern mit seiner Koalition aus CSU und Freien Wählern ist strikt dagegen. Im Saarland regiert die SPD allein und hat es damit selbst in der Hand, (hoffentlich) das Gesetz zu unterstützen bzw. sich gegen einen Vermittlungsausschuss auszusprechen. In allen anderen Bundesländern regieren Koalitionen, an denen mindestens eine der Ampelparteien beteiligt ist.

 

Länderübergreifende Bedenken am CanG

Richtig ist, dass aus allen Ländern Bedenken hinsichtlich einzelner Regelungen des CanG geäußert worden sind. Nun sind Bedenken nicht gleichbedeutend mit einer Ablehnung des Gesetzesvorhabens. Zudem gingen diese vor allem von den Innenpolitikern aus, wie auch der Streit in der SPD-Bundestagsfraktion zuvorderst von den Innenpolitikern um Sebastian Fiedler und Sebastian Hartmann befeuert wurde. Wichtig zu wissen: Alle amtierenden Innenminister der Länder gehören entweder der CDU/CSU oder der SPD an. Es sind aber nicht allein die Innenminister (und auch keine anderen Ressorts wie Justiz oder Gesundheit), die im Bundesrat abstimmen, sondern die Landesregierungen im Ganzen. Genauso sind auch die zwischenzeitlichen Empfehlungen zur Anrufung des Vermittlungsausschusses von den drei Bundesratsausschüssen Gesundheit, Inneres und Recht einzuordnen: In allen drei Ausschüssen haben CDU/CSU und SPD deutlich die Oberhand, während in den Landesregierungen allein die Grünen Einfluss auf 44 von 69 Bundesrats-Stimmen haben.

Von einigen Grünen- und FDP-Ministern aus den Ländern war erst im weiteren Verlauf der Debatte hörbare Kritik am CanG zu vernehmen, vorwiegend bezogen auf die besagte Amnestieregelung. Eine unrühmliche Vorreiterrolle nahm dabei Benjamin Limbach ein, Justizminister der Grünen in NRW, unterstützt von seinem Parteikollegen Manne Lucha, seines Zeichens Minister für Soziales, Gesundheit und Integration in Baden-Württemberg. Beide Länder finden sich damit – siehe oben – leider im Lager der wahrscheinlichen Befürworter eines Vermittlungsausschusses.

 

Grüne, FDP und Linke müssen standhaft bleiben

Wir haben lange die Hypothese vertreten: Von den Ampelparteien wackelt nur die SPD, Grüne und FDP stehen dagegen auch auf Länderebene fest zur lange ausgehandelten Säule 1 der Cannabis-Legalisierung. Ausgerechnet Baden-Württemberg, mit dem einzigen grünen Ministerpräsidenten, und NRW belehren uns nun womöglich eines Besseren, wenn sie nicht doch noch kurzfristig einlenken. Dass Grüne und/oder FDP aber über noch weitere ihrer Landesminister:innen dazu beitragen, das CanG in den Vermittlungsausschuss zu schicken und damit auf unbestimmte Zeit zu verzögern, halten wir weiterhin für so gut wie ausgeschlossen. Es wäre politischer Selbstmord, nachdem beide Parteien in den letzten Monaten keinen Zweifel daran gelassen haben, die Legalisierung durchzuziehen. Bei der SPD ist die Situation bekanntlich nicht so eindeutig, vielleicht sind dort auch die Suizidgedanken ausgeprägter. Dann wäre da noch Die Linke, die in drei Landesregierungen vertreten ist – in Mecklenburg-Vorpommern in einer Zweier-Koalition mit der SPD und damit unter Umständen das Zünglein an der Waage. Auch bei der Linken darf man davon ausgehen, dass die Unterstützung für die Entkriminalisierung etwaige Bedenken bzgl. der Umsetzung überwiegt. Entsprechend stellt sich auch unsere aktuelle Prognose zur Bundesrats-Abstimmung am 22. März dar.

 

Bundesrats-Abstimmung im September mit knapper Mehrheit für Änderungen

Kleiner Exkurs: Im September 2023 hatte der Bundesrat bereits über die einzelnen Punkte seiner Stellungnahme zum CanG-Entwurf abgestimmt. Dort ging es in Nr. 77 um Änderungen am besagten rückwirkenden Straferlass nach Art. 13 CanG-E. Seinerzeit hat es dieser Punkt denkbar knapp mit 35 Stimmen in die Stellungnahme geschafft, also auch mit Stimmen aus Ländern, in denen Grüne, FDP oder Linke mitregieren. Die Zustimmung zu einem Änderungsvorschlag zu einem frühen Zeitpunkt im Gesetzgebungsverfahren ist aber etwas Anderes, als am Ende des Verfahrens das von den eigenen Bundestagsfraktionen bereits beschlossene Gesetz zu torpedieren.

 

Fazit: Wird der Bundesrat das Cannabisgesetz stoppen können?

Es bleibt (leider) spannend, endgültige Klarheit werden wir erst nach der Bundesrats-Sitzung am 22. März haben. Dennoch besteht viel Grund zum Optimismus. Alles in allem sind und bleiben wir überzeugt davon, dass eine Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat im Falle des Cannabisgesetzes keine Mehrheit finden wird. Auch im Vorfeld der Bundestagsabstimmung hatte es geheißen, es gebe zwei Dutzend Abweichler in den Ampelfraktionen. Am Ende waren es 5 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen. Die radikalen – man muss eigentlich sagen demokratiefeindlichen – Äußerungen aus der Union, das Gesetz „verhungern“ zu lassen, wenn es in den Vermittlungsausschuss kommt, und jedenfalls in keiner Weise an einer Kompromissfindung mitzuwirken, provozieren ja geradezu den Widerstand der Ampelparteien und der Linken. Erst recht, wenn sie, wie im Falle Sachsens, die Koalitionspartner in der Landesregierung komplett übergehen.

 

Entgegenkommen von Lauterbach an die Länder

Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat zudem noch einen Trumpf aus dem Ärmel gezogen, der Zweifler in den eigenen Reihen einfangen könnte: Mit einer Protokollerklärung der Bundesregierung sollen einzelne Bedenken der Länder adressiert werden. Dieses Instrument ist kaum bekannt, wird aber gar nicht so selten genutzt. Letztlich heißt es, dass (mehr oder weniger konkrete) Änderungswünsche der Länder bei der Abstimmung festgehalten werden. Die Länder lassen das Gesetz dann im Bundesrat unter der Bedingung passieren, dass die Bundesregierung sich im Nachgang mit diesen Wünschen auseinandersetzt. Das können z.B. Anpassungen im Detail sein, die dann als Änderungsgesetz in den Bundestag eingebracht werden. Denkbare Punkte wären hier die Abstandsregeln, Mengen- und Präventionsvorgaben des CanG. Rechtlich verbindlich ist das Ganze eher nicht, schließlich müsste am Ende auch der Bundestag einem Änderungsgesetz zustimmen. Sachsens SPD-Gesundheitsministerin Petra Köpping hat sich dennoch erst aufgrund der Zusage Lauterbachs, eine solche Protokollerklärung zu verfassen, klar gegen einen VA ausgesprochen. Vielleicht lassen sich ja sogar die Grünen in NRW und Baden-Württemberg noch auf diese Art überzeugen.

In diesem Beitrag gehen wir auf den Inhalt und die Bedeutung der finalen Protokollerklärung genauer ein.

Jetzt sind wir aber erstmal vereint im Daumendrücken für die morgige Bundesratssitzung und #keinVA!

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