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Nun ist es vollbracht: Das CanG hat den Bundesrat mit breiter Mehrheit passiert. Eine Protokollerklärung der Bundesregierung hat dabei geholfen. Seit der Abstimmung im Bundestag am 23. Februar war die Spannung schwer zu ertragen, denn es stand die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat im Raum, die mindestens zu mehreren Monaten Verzögerung geführt hätte. Wir haben dies ausführlich berichtet und analysiert und hatten deshalb auch in einem offenen Brief – den 100 CSCs unterzeichnet haben – an die Ländervertreter appelliert, das CanG nicht zu blockieren.
Lange stand es Spitz auf Knopf, ob sich ein Vermittlungsausschuss vermeiden lässt – vor allem, weil sich neben Bayern die Schwergewichte Baden-Württemberg und NRW mit jeweils 6 Stimmen früh für einen VA ausgesprochen hatten. Etliche kleinere Länder tendierten anfangs dazu, dem zu folgen, oder haben sich jedenfalls im Vorfeld nicht klar gegen einen VA positioniert. Erst wenige Tage vor der entscheidenden Bundesratssitzung am 22. März drehte sich der Wind, vor allem wegen eines Schachzugs von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: Er brachte eine sogenannte Protokollerklärung ins Spiel, mit der die Bedenken der Länder aufgegriffen werden sollten, um die Zweifler in den Landesregierungen, insbes. aus den Ampelparteien, umzustimmen. Dies ging einher mit der drastischen Warnung, das CanG werde „sterben“, wenn man es in den Vermittlungsausschuss schickt.
Niemand hatte das Instrument der Protokollerklärung zuvor wirklich auf dem Schirm. Deshalb wollen wir kurz analysieren und einordnen: Was ist das eigentlich? Was steht drin? Und was bedeutet das nun? Die Protokollerklärung im Wortlaut findet ihr hier als PDF.
Bei der Protokollerklärung handelt es sich im Prinzip um eine Absichtserklärung der Bundesregierung. Bedenken und Änderungswünsche, die die Länder in Bezug auf das CanG geäußert hatten, werden darin adressiert. So begegnet Karl Lauterbach und das BMG der Kritik, die Interessen der Länder würden nicht ausreichend gehört bzw. berücksichtigt. Rechtlich bindend ist der Inhalt der Protokollerklärung erst einmal nicht, zumindest aber wird damit dokumentiert, dass bestimmte Aspekte des Gesetzes noch einmal geprüft oder zeitnah nachgeschärft werden sollen. Die Abstimmung der Länder erfolgt dann unter dieser Prämisse, in diesem Fall: Aufgrund dessen, was Karl Lauterbach zu Protokoll gegeben und somit (ein Stück weit) zugesagt hat, haben einige Länder am Ende durch Enthaltung auf die Anrufung des VA verzichtet.
Bemerkenswert: Der Kernpunkt, weswegen viele Länder parteiübergreifend Nachbesserungen am CanG und notfalls einen VA gefordert hatten, war die Amnestieregelung in Art. 13 CanG und der damit verbundene Aufwand für die Justiz. In diesem Punkt aber haben die Länder gar nichts erreicht – weder eine Verschiebung der Amnestie noch ein späteres Inkrafttreten des Gesetzes insgesamt. In der Protokollerklärung wird lediglich ausgeführt, dass die Amnestie ein Gebot der Gerechtigkeit ist und sich kein Amtsträger strafbar macht, wenn nicht am 1. April alle Strafakten geprüft und Straferlasse abgearbeitet sind.
Stattdessen kommt die Bundesregierung den Ländern in Fragen der Präventionsarbeit und des Kinder- und Jugendschutzes entgegen. So soll vom BMG ein Mustercurriculum für die Schulung der Präventionsbeauftragten der Anbauvereinigungen finanziert und den Ländern zur Verfügung gestellt werden. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) soll Leitfäden für die Erstellung des Gesundheits- und Jugendschutzkonzeptes und zudem diverse Beratungs- und Weiterbildungsangebote entwickeln. Dazu gehört auch die Beratung von Konsumentinnen und Konsumenten, bspw. über die Website www.infos-cannabis.de. Außerdem werden weitere Finanzmittel des Bundes für die Förderung der Präventionsarbeit in Aussicht gestellt.
Die gesellschaftlichen Auswirkungen des Gesetzes verspricht die Bundesregierung engmaschig zu überprüfen. Eine erste Evaluation soll bereits 18 Monate nach Inkrafttreten vorgelegt werden, also bis Ende November 2025. Diese soll explizit die Konsumverbote und deren Einhaltung (Mindestabstände zu Kinder- und Jugendeinrichtungen), die Auswirkungen auf das Konsumverhalten von Minderjährigen sowie die im Gesetz geregelten Besitz- und Weitergabemengen beinhalten. In diesen Punkten sind also keine Änderungen erfolgt, sie werden nur entsprechend evaluiert. Man kann aber wohl davon ausgehen, dass das ohnehin geschehen wäre, denn die Evaluation war ja von Anfang an im Gesetz verankert – und worauf, wenn nicht auf die wesentlichen Gesetzesinhalte, sollte sie sich sonst beziehen?!
Soweit also wenig Handfestes. Für die CSCs allerdings hält die Protokollerklärung unter der Überschrift „Klarstellungen und Konkretisierungen für Anbauvereinigungen“ eine Überraschung bereit: Um eine „europarechtswidrige Kommerzialisierung des Anbaus auszuschließen“, soll sichergestellt werden, dass „nicht eine Vielzahl von Anbauvereinigungen Anbauflächen am selben Ort bzw. im selben Objekt betreiben dürfen“. Außerdem soll eine Klarstellung erfolgen, welche Tätigkeiten CSCs nicht an gewerbliche Anbieter auslagern dürfen. So soll bspw. der Vermieter einer Anbaufläche nicht gleichzeitig Energielieferant oder für die Objektsicherheit verantwortlich sein dürfen.
Einen entsprechenden Antrag hatte Mecklenburg-Vorpommern in den Innenausschuss des Bundesrates eingebracht. Unterstützung kam wohl u.a. vom Hamburger Innensenator Andy Grote. Hintergrund sind Bedenken, dass andernfalls kommerzielle Großplantagen entstehen könnten, Karl Lauterbach sprach im Bundesrat von einer „Kommerzialisierung durch die Hintertür“. Naheliegend ist, dass das teils großspurige Auftreten von kommerziellen Akteuren wie der „Deutschen Anbaugesellschaft“ zu genau dieser Reaktion geführt hat. Zufällig liegt das ehemalige Militärgelände, auf dem die DAG eine „Jahresproduktion von 100 Tonnen“ realisieren wollte, in MV, die Firma selbst sitzt in Hamburg. Danke für nichts!
Nun sind diese „Klarstellungen“ bislang nicht Teil des Cannabisgesetzes. Die Frage ist also, ob und wie sie rechtlich bindende Wirkung entfalten. In der Protokollerklärung steht dazu, sie sollen noch vor dem 1. Juli 2024, also vor Beginn der Erlaubnisverfahren für AVs „bundesrechtlich sicher verankert“ werden. Aus unserer Sicht heißt das, es müsste eine Ergänzung ins CanG aufgenommen werden, was nur mittels eines Änderungsgesetzes möglich wäre. Einem solchen Änderungsgesetz müsste aber wiederum der Bundestag zustimmen. Ob das tatsächlich passiert, ist zumindest fraglich. Fakt ist aber: Solange das nicht geklärt ist, besteht auch keine Klarheit für die angehenden Anbauvereinigungen, wie sie den Anbau und alles drumherum organisieren können. [Update vom 23.04.24: Das BMG hat nun einen Änderungsgesetzentwurf vorgelegt, der in den Punkten für die CSCs sogar noch über die Protokollerklärung hinausgeht. Mehr dazu erfahrt ihr in diesem Beitrag.]
Natürlich kann man auch sagen: Den ganzen Kommerz lehnen wir eh ab, also wo ist das Problem? Viele CSCs aber haben durchaus sehr konkret mit dem gemeinsamen Anbau auf größeren Flächen geplant, zumal diese Möglichkeit in der Gesetzesbegründung zum CanG ausdrücklich genannt ist. Sehr viele gute Argumente sprechen dafür, den Anbau mehrerer CSCs zu bündeln, allen voran die Finanzierbarkeit, die Energieeffizienz und der höhere Professionalisierungsgrad, der wiederum eine höhere Qualität der Produkte zu bezahlbaren Kosten ermöglicht. Wer möchte, dass das Modell der Anbauvereinigungen funktioniert – und das ist unerlässlich für einen Erfolg der „Säule 1“ – der muss eine solche Bündelung möglich machen. Dabei geht es nicht um Hunderte AVs auf zehntausenden Quadratmetern am selben Standort. Wohl aber um 5, 10 oder 15 Clubs, die sich zum Beispiel bestehende Gewächshausflächen teilen. Denn solche Flächen sind vorhanden und nutzbar, aber für einen Club allein viel zu groß. Apropos Gewächshäuser: Nicht selten sind die Betreiber gleichzeitig Erzeuger erneuerbarer Energien, bspw. mit Photovoltaik auf dem Feld nebenan oder der Biogasanlage für die Gewächshausheizung. Eine Verknüpfung von Vermietung und (z.B.) Energielieferung zu verbieten, ginge also vollkommen fehl. Das gilt genauso für andere Services, die nicht unmittelbar mit dem Anbau zu tun haben: Es wäre völlig realitätsfremd, dies nachträglich im Gesetz auszuschließen.
Insofern hoffen wir und sind auch zuversichtlich, dass die Protokollerklärung letztlich nicht dazu führen wird, dass für die Anbauvereinigungen noch zusätzliche Hürden geschaffen werden. Die Herausforderungen für CSCs sind auch mit dem nun beschlossenen CanG schon groß genug. Lasst uns lieber anpacken, denn es gibt genug zu tun!
Von Michael Lessig